Das Objekt des Monats: Das obere Tor im Winter



Tief verschneit und von einer zwischen Wolken hervorscheinenden Sonne abwechslungsreich beleuchtet – so erlebte der Weißenhorner Maler Ludwig Haberes (1900-1935) 1929 das obere Tor von Weißenhorn. Diesen Anblick hielt er in einem großen Ölgemälde fest (siehe Titelbild). An der gefällig ins Bild gerückten Gebäudegruppe fallen zwei Details auf, die inzwischen längst verschwunden sind. Auf dem ehemaligen Woll- und Waaghaus (heute Heimatmuseum) ist ein mit Isolatoren bestückter Dachständer zu sehen. Er gehörte zu einer darunter eingebauten Trafostation und wurde erst im Zuge der Einrichtung des Heimatmuseums ab 1937 abgebaut. Zuvor hatte das Gebäude als „Postlokal“ gedient. Seit 1883 wurde hier die Post in Empfang genommen und von hier aus auch verteilt. Dazu benutzte man Postkarren, für die 1914 in der Nische zwischen altem Rathaus und oberem Tor eine „Postkarrenremise“ - damals amtlich auch: „Handwagenhinterstellungsschuppen“ - errichtet wurde. Besonders genau ist die Remise auf einer Ansicht von Anton Bischof aus den 1920er Jahren zu erkennen. Noch lange nach dem Umzug der Post in die Bahnhofstraße (1931) diente der Anbau als Lagerschuppen und wurde erst um 1960 abgebrochen.
Zu der genannten Remise wurde im April 1914 ein Bauplan erstellt, der im Stadtarchiv überliefert ist. Wie aus der beiliegenden Korrespondenz hervorgeht, konnte der Plan erst nach längerer Diskussion zwischen dem Stadtmagistrat, der königlichen Oberpostdirektion, dem königlichen Bezirksamt sowie dem „Königlichen Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns“ umgesetzt werden konnte.
Grund dafür waren erhebliche Bedenken des Konservators Professor Müller, der sich gegen eine „Störung“ dieses „reizvollen(n), künstlerisch und kunstgeschichtlich wertvolle(n) Tor(es)“ aussprach.
In der Begründung heißt es weiter „Nur wenn gar kein anderer Ausweg möglich ist, könnte vielleicht der Anbau zur Not geduldet werden. Wenn jetzt eine Kehrichtgrube an der Stelle ist, so kann das kein Grund sein, eine Remise hinzusetzen. Die Kehrichtgrube sollte eben beseitigt werden“.
Besonderen Anstoß erregte die geplante Gestaltung der Fenster: „Auf jeden Fall müsste die altertümliche Form der Schiesschartenfenster vermieden werden. Die Schlitzfenster wären einfach hochrechteckig, ohne die untere runde Endigung zu gestalten“.
Im Juni 1914 lagen schließlich die behördlichen Baugenehmigungen vor und die Remise wurde unter ausdrücklicher ‚Vermeidung‘ der „altertümlichen Schießschartenfenster“ von der Weißenhorner Baufirma Luitpold Gaiser für 300 Mark (ca. 4.500,- €) errichtet.